Incroyable Mais Vrai – Berlinale Special

(Foto: © ATELIER DE PRODUCTION-ARTE FRANCE CINEMA-VERSUS PRODUCTION-2022 )

Unglaublich, aber wahr“ – dieser Filmtitel passt eigentlich zu allen Filmen des französischen Regisseurs Quentin Dupieux. In seinen Arbeiten gerät die Realität zunächst nur leicht aus den Fugen, bis am Ende des Films nichts mehr davon übrig ist. Egal, ob ein Autoreifen zum Killer wird, wie in „Rubber“ (2010), oder die Suche nach einem vermissten Hund es im Innern eines Gebäudes regnen lässt, wie in „Wrong“ (2012) – die bizarren Einfälle werden von den handelnden Figuren unaufgeregt hingenommen. So entsteht die für Dupieux typische Mischung aus lakonischen Dialogen, humorvollen Gags und einzigartigen Bilderwelten.

(Radiobeitrag für Filmriss – Das Berlinalemagazin)

Die Erfahrungen und das erforderliche Wissen dazu sammelte er als Musiker vor allem im Zusammenspiel bei der Inszenierung von Videoclips. Unter seine Künstlernamen Mr. Oizo gelang ihm schon 1999 mit „Flat Beat“ ein kleiner Hit, und mittels der Puppenfigur Flat Eric schuf er so einen Klassiker des schrägen Humors.

Incroyable Mais Vrai“ erzählt die Geschichte eines Paares, welches sich ein altes Haus kauft. Der Makler deutet mysteriös an, dass das Gebäude ein spezielles Geheimnis verberge. Mehr soll hier nicht verraten werden, nur so viel: Dupieux setzt sich auf gewohnt eigenwillige Weise mit Themen wie dem Alter und der Suche nach der verlorenen Jugend auseinander, nebenher werden Männlichkeitsbilder und Schönheitsideale hinterfragt.

Versehen mit schrägen Bildern, einfallsreichem Design und viel Wortwitz, ist eine weitere zentrale Konstante das musikalische Tempo des Films. Hier wird auf das Handwerk des Videoclipregisseurs zurückgegriffen und nur mittels Musik und Bildern erzählt. Hauptdarsteller Alain Chabat hatte bereits 2014 die zentrale Rolle in Dupieuxs Film „Réalité“ übernommen, ihm zur Seite steht diesmal Lea Drucker, die vor drei Jahren im Berlinale-Gewinner „Synonyms“ von Nadav Lapid zu sehen war.

Die Musik stammt diesmal übrigens nicht von Dupieux selbst: zu hören sind ausschließlich elektronische Bearbeitungen von Werken Johann Sebastian Bachs, die der deutsche Musikwissenschaftler Andreas E. Beurmann in den Siebziger Jahren unter dem Pseudonym Jon Santo eingespielt hat, und die Erinnerungen an die elektronischen Klassikbearbeitungen von Wendy Carlos für Stanley Kubricks Filmen wie „Uhrwerk Orange“ oder „Shining“ wecken.

Eine passende Reminiszenz, denn Dupieux Bildgestaltung, Set-Design und Kameraeinsatz sind ausgeklügelt und durchgeplant – wenngleich ein per Smartphone steuerbarer elektronischer Penis Made In Japan bei Kubrick vielleicht nicht unbedingt aufgetaucht wäre. Wer sich aber früher in den bizarren Bildwelten des Quentin Dupieux wohl gefühlt hat, dürfte auch von „Incroyable Mais Vrai“ nicht enttäuscht werden.

(Dieser Text erschien zuerst als Radiobeitrag in der Sendung „Filmriss – Das Berlinale-Magazin“, einem gemeinsamem Projekt der norddeutschen Bürgersender Kiel FM, Lübeck FM, Westküste FM, Tide Hamburg, Radio Leinewelle und Oldenburg Eins.)