Bettina – Berlinale Panorama
Die Berliner Liedermacherin Bettina Wegner kennen die meisten Menschen vermutlich von ihrem Lied „Kinder (Sind So Kleine Hände)“. Die Sängerin hasste es so sehr, nur auf diesen Hit reduziert zu werden, dass sie sich jahrzehntelang weigerte ihn bei Konzerten zu spielen.
Regisseur Lutz Pehnert entschied sich in seinem Dokumentarfilm „Bettina“ schlauerweise dafür, den Song in der ersten Stunde des Films nicht einmal zu erwähnen. So ermöglicht er es dem Publikum einen völlig neuen Blick auf die Musikerin und Sängerin zu werfen, fernab aller Liedermacher- und Siebziger Jahre-Klischees.
(Radiobeitrag für Filmriss – Das Berlinalemagazin)
In den Mittelpunkt stellt er stattdessen ihr Lied „Gebote“, in dem sich die Sängerin eigene Regeln für ihr Leben gibt. Dieser Text gibt dem Film seine Struktur und Zeilen daraus sind den einzelnen Kapiteln vorangestellt. Bettina Wegners Biografie ist eng mit der Geschichte der deutsch-deutschen Wirklichkeit vom Bau der Berliner Mauer bis heute verbunden. Geboren in West-Berlin, aufgewachsen in Ost-Berlin, als Kind eine glühender Stalin-Fan, nach dem Prager-Frühling für das Verteilen von staatsfeindlichen Flugblättern vor Gericht gestellt, Fabrikarbeit statt Musikkarriere, später Auftritte in den Kirchen bei der Opposition und schließlich Anfang der achtziger Jahre die erzwungene Auswanderung aus der DDR in den Westen. Aber mit über 70 ist die Wegner trotz und wegen all ihrer Erlebnisse immer noch eine kesse Göre mit Berliner Schnauze, eine ungebrochene Frau und erfrischend sture Künstlerin.
Regisseur Lutz Pehnert hat sich schon früh mit Filmen zur DDR-Geschichte einen Namen gemacht. Der Sohn des ehemaligen DDR-Kulturministers Horst Pehnert setzt sich seit über 25 Jahren mit dem historischen Erbe der beiden deutschen Staaten filmisch auseinander. Vielleicht hat er deshalb auch so einen guten Draht zur Sängerin Bettina Wegner, die als einzige Interviewpartnerin in diesem Film über sich selbst zu Wort kommt. Neben ihren politischen Ansichten stehen auch ihre immer wieder gescheiterten Ehen und Liebesbeziehungen im Mittelpunkt des mit vielem raren Archivaufnahmen bestückten Films. Sie waren der Antrieb für ihre zahllosen melancholischen und oft traurigen Liebeslieder, die nie ein gutes Ende nahmen.
Bettina Wegner wirkt aber nie klagend oder wehmütig, sie ist nach wie vor auf der Bühne zu sehen und erzählt freimütig und klar aus ihrem Leben. Und wenn dann zum Ende des Filmes ihr großer Hit von den Kindern von ihr acapella bei einem Konzert gesungen wird, haben wir als Zuschauende schon längst mehr über die vielseitige Künstlerin und ihr Schaffen gelernt, als es dieser eine Song allein vermitteln kann.
(Dieser Text erschien zuerst als Radiobeitrag in der Sendung „Filmriss – Das Berlinale-Magazin“, einem gemeinsamen Projekt der norddeutschen Bürgersender Kiel FM, Lübeck FM, Westküste FM, Tide Hamburg, Radio Leinewelle und Oldenburg Eins.)