Young At Heart – Berlinale Retrospektive
Interview mit Kuratorin Annika Haupts von der Deutschen Kinemathek.
Zu den Grundpfeilern der Kinogeschichte gehören Filme über das Erwachsenwerden. Jugendlichen wird so identifikationsstiftende Kunst geboten, die im besten Fall hilft, das eigene Leben besser zu verstehen, derweil Erwachsenen eine Gelegenheit zur nostalgisch geprägten Reflektion angeboten wird.
In Berlin lieferte Steven Spielberg dazu mit seinem autobiografisch geprägtem Spätwerk „Die Fabelmans“ ein Musterstück für einen Coming-Of-Age-Film ab, der sich somit für eine Klammer wie „Young At Heart“ geradezu aufdrängte, jedoch bleibt bei derart offen formulierten Obertitel selbstverständlich stets Raum für Überschneidungen. Naheliegenderweise schlug sich dieses insbesondere in den Reihen für Kinder und Jugendliche nieder.
Für die Retrospektive hatten Annika Haupts und Rainer Rother von der Deutschen Kinemathek achtundzwanzig Klassiker der Filmgeschichte ausgewählt, die vom Beginn der fünfziger Jahren bis zum Ende der neunziger Jahre reichten. Darunter fanden sich Werke wie der ganze Generationen prägende „Denn sie wissen nicht was sie tun“ von Nicholas Ray (1955) oder „Ferris macht blau“ (1986) von John Hughes.
Die konkrete Wahl der einzelnen Filme fiel allerdings auf bereits bei der Berlinale ausgezeichnete oder zumindest vormals eingeladene Regisseur*innen beziehungsweise Schauspieler*innen. So war die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić vor zwei Jahren Teil der internationale Jury. Sie wählte den tschechischen Film „Tausendschönchen“ (1966) von Regisseurin Věra Chytilová aus. Den fröhlich-feministischen Film aus der kurzen neuen Welle osteuropäischer Filme in den sechziger Jahren stellte Žbanić persönlich im Kino vor.
Nach Berlin gekommen war außerdem die spanische Regisseurin Carla Simón; als letztjährige Gewinnerin des goldenen Bären für „Alcarràs – Die letzte Ernte“ war diese als Teil der diesjährigen und von Kristen Stewart angeführten internationalen Jury in Berlin. Sie stellte das mit Frankenstein-Motiven gespickte spanische Bürgerkriegsdrama „Der Geist Des Bienenstocks“ (1973) von Victor Erice vor.
Andere Regisseure kamen nicht persönlich nach Berlin, bewiesen aber per Videobotschaft im Kinosaal Präsenz. So präsentierte Martin Scorsese Bernardo Bertoluccis Debüt „Vor der Revolution“ (1964), während die Wahl des letztjährigen Jurypräsidenten M. Night Shyamalan auf Peter Bogdanovics Durchbruchsfilm „Die letzte Vorstellung“ (1971) fiel.
Als programmatischer Glücksfall erwies sich der ausgewählte Beitrag des iranischen Bärengewinners und ebenfalls ehemaligen Jurypräsidenten Mohammad Rasulof: Denn mit Werner Herzogs Kasper Hauser-Variation „Jeder für sich und Gott gegen Alle“ (1971) wählte er ein klassisches Außenseiterdrama. Passend ist dies insofern, da Werner Herzog gerade Thema einer großen und empfehlenswerten Ausstellung der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz ist. Übrigens nicht nur während der Berlinale, sondern auch noch weit darüber hinaus, nämlich bis zum 8. Mai.