7 Tipps fürs Synästhesie Festival

Das Berliner Synästhesie Festival hat sich seit der Gründung vor sechs Jahren als zentraler Treffpunkt für düster-trippigen Undergroundsound aus aller Welt etabliert. Die Bands im Line-Up sind von wichtigen experimentellen Musikstilen aus den frühen Jahren der Rockgeschichte beeinflusst: Dem Psychedelic Pop der Sechziger Jahre, dem Krautrock der Siebziger, dem Post-Punk der frühen Achtziger Jahre und dem Shoegaze der Neunziger.

Keimzelle des Ganzen ist die 8mm-Bar in Berlin, deren Betreiber Alex ‚Olli‘ Remzi diesen Stilmix bereits Mitte der Nullerjahre mit entsprechenden Konzerten und DJ-Sets in seiner Kneipe etablierte. Das daraus entstandene Festival bringt seit 2015 mit Bands wie Spiritualized, Michael Rother (Neu!), Stereolab, Deerhunter oder Tangerine Dream immer wieder einzigartige und teils für Deutschland exklusive Headliner an den Start.

Im letzten Jahr machte die Pandemie dem Festival einen dicken Strich durch die Rechnung. Trotzdem gelang es dem kleinen, aber wendigen Festivalteam noch vor dem Winter-Lockdown einige ausgewählte Synästhesie-Konzerte mit Laura Carbone, Gewalt, Sofia Portanet und anderen zu organisieren. Auch in diesem Jahr steht immer noch alles im Zeichen der Pandemie. Die steigenden Coronazahlen sorgten dafür, dass die Hygienemassnahmen kurz vor Festivalbeginn verschärft werden mussten. Stand heute wird es ab Freitag unter 2Gplus-Bedingungen mit nur 50% der möglichen Auslastung stattfinden.

Die Headliner in der Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg müssen den Fans des Festivals nicht groß vorgestellt werden. Die deutsche Krautrocklegende Faust feiert die Wiederveröffentlichung ihrer Platten beim Hamburger Label Bureau B mit einer Aufführung des Albums „Faust IV“ aus dem Jahr 1973 unter Leitung von Gründungsmitglied Jean-Hervé Péron, die Bristoler Neokrautrocker von BEAK mit Ex-Portishead-Musiker Geoff Barrow sind seit Jahren eine feste Größe in diesem Umfeld und die von Bandleader Oliver Ackermann frisch neu besetzten A Place To Bury Strangers haben bereits 2019 das Festival mit einer furiosen Show zum Ende gebracht. Hier sind sieben weitere Empfehlungen für das diesjährige Synästhesie Festival.

Anika

Mit „Change“ erschien im Sommer letzten Jahres das zweite Soloalbum der britischen Musikerin und Sängerin Annika Henderson aka Anika auf dem britischen Label Invada Records von Geoff Barrow (Portishead, BEAK). Sie lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Berlin und die neue Platte ist ihr erstes Album seit 2010. Seitdem hat sie mit BEAK und Tricky gearbeitet und Songs mit den DJs T.Raumschmiere und Dave Clarke produziert. Außerdem ist sie Teil der mexikanischen Band Exploded View und ihr Bandkollege Martin Thulin hat „Change“ auch produziert. Krautrock, Dream Pop und New Wave im Geist von Anita Lane und Lydia Lunch, aber deutlich elektronischer im Gesamtsound.

Automatic

Das amerikanische Postpunk-Trio Automatic besteht aus drei jungen Musikerinnen aus Los Angeles. Ihr erstes Album “Signal” erschien 2019 und Anfang des Jahres haben sie dazu eine Reihe von Remixen herausgebracht. Schlagzeugerin Lola ist die Tochter des Bauhaus-Schlagzeugers Kevin Haskins und die Band hat sich nach einem Song der Go-Go’s um Sängerin Belinda Carlisle benannt, noch immer die einzige weibliche Popband mit einem Nummer 1-Album in den USA. Die Band ist außerdem sehr filmaffin. Keyboarderin Izzy studierte Film an der Uni und Bassistin Halle arbeitete in einer Videothek. Sie nennen Werke von David Lynch und Dario Argento als Inspirationsquellen und spielen Postpunk, New Wave, Dub, Industrial und Krautrock.

Bleib Modern

Die Berliner Band Bleib Modern spielt klassischen Postpunk und Cold Wave. Die Ursprünge der Gruppe liegen in Coburg, wo mit diesem Sound vermutlich nicht viel zu gewinnen war. Die Gruppe um Sänger und Songschreiber Philipp Läufer hat 2015 ihr erstes Album mit dem schönen Titel „ All Is Fair In Love And War„ herausgebracht. Sie gehören zu einer Reihen von Bands, die sich stilistisch sehr pur an die großen Vorbilder der frühen Achtziger Jahren anlehnen, ähnlich wie die türkische Band She Past Away oder die Amerikaner von Fotocrime. Das neue und mittlerweile vierte Album der Gruppe „ Afraid To Leave“ ist Anfang des Jahres auf dem französischen Label Icy Cold Records erschienen.

Lucy Kruger & the Lost Boys

Die Sängerin und Songschreiberin Lucy Kruger kommt ursprünglich aus Cape Town in Südafrika, lebt und arbeitet jetzt aber in Berlin. Sie war Teil des Duos Medicine Boy und brachte 2019 ihr zweites Soloalbum “Sleeping Tapes for Some Girls” heraus. Der Beginn einer Album-Trilogie, die im letzten Jahr mit “Transit Tapes (for women who move furniture around)“ fortgesetzt wurde und 2022 mit “Teen Tapes (for performing your own stunts)” ihren Abschluss finden wird (Unique Records). Die Lost Boys sind keine feste Gruppe, sondern eher ein loses Kollektiv. Im Mittelpunkt ihrer Songs stehen persönliche Prozesse und introspektive Themen, die zugleich universelle Themen wie Freundschaft, Familie und Zugehörigkeit, sowie Kritik an gesellschaftlichem Druck und an Geschlechter-Stereotypen abbilden. Folkpop, Dream Pop, Psychedelia, etwas Drones und Ambient – ein minimalistischer Stil, mit sparsamen Arrangements, oft mehr geflüstert als gesungen.

Sei Still

Die mexikanische Band Sei Still begann zunächst mit Neo-Krautrock im Stil von Neu! und Can, daher wohl auch der deutsche Bandname. Vor sechs Jahre erschien ihr erstes und bisher einziges selbstbetiteltes Album und seitdem hat sich für die Band einiges verändert. Sie sind von Mexiko City nach Berlin gezogen und haben ihre musikalische Palette um Noise, Postpunk und New Wave erweitert. Die treibende Motorik ist geblieben, aber die Songs klingen jetzt karger und strukturierter im besten Sinne beider Worte. Ihr neues Album “El Refugio” erscheint Ende November beim britischen Label Fuzz Club Records.

Thala

Die Berliner Musikerin Thala begann ihre Karriere als Songschreiberin zunächst mit Konzerten auf der Straße und Auftritten bei Open Mic-Abenden. Mittlerweile hat sie schon erfolgreiche Auftritte beim letzten Reeperbahn Festival hinter sich und ihre Musik wurde schon im englischen Radio bei BBC1 gespielt. Zurecht, denn ihre äußerst melodische Variante von Dream Pop und Shoegaze hat enormen Pop-Appeal. Sie steht damit in der Tradition großer Bands mit großartigen Sängerinnen wie Mazzy Star oder Beach House. Ihr erstes Album “Adolescence” ist im September bei Duchess Box Records erschienen.

The KVB

Das britische Duo The KVB wurde 2010 von Nicholas Wood im britischen Southampton gegründet. Gemeinsam mit der visuellen Künstlerin und Musikerin Kat Day fand er sich dann ein Jahr später zur aktuellen Besetzung zusammen. Beide zogen für einige Zeit nach Berlin und haben schon Platten auf Anton Newcombes (Brian Jonestown Massacre) Plattenlabel A Records und bei Geoff Barrows Invada Records herausgebracht. Shoegaze, Noise, Postpunk und Gothic mit starken Einflüssen aus Filmmusik, Scott Walker, 70er Glam à la Roxy Music und New Wave von Joy Division und frühen The Cure. Das neue und sechste Album “Unity” erscheint am 23. November und die vorab veröffentlichten Singles deuten ein wenig auf elektronischere und tanzbarere Songs als bisher hin.