Occhiali Neri – Berlinale Special

(Foto: © 2021 Urania Pictures – GetAway Films)

Horrorfilme spielen bei der Berlinale-Filmauswahl selten eine gewichtige Rolle. Allerdings sind über die Jahre hinweg in verschiedenen Festivalreihe gelegentlich Genrefilme aufgetaucht. Im Jahr 2000 lief „American Psycho“ von Mary Harron außer Konkurrenz im Wettbewerb, und ein Jahr später Ridley Scotts „Hannibal“. Und oft verbergen sich derartige Filme in anderen Reihen, wie „One Missed Call“ von Takashi Miike 2004 im Forum oder „Dark Water“ von Hideo Nakata 2001 im Panorama.

(Radiobeitrag für Filmriss – Das Berlinalemagazin)

So war es eine faustdicke Überraschung, dass in diesem Jahr der neue Film des italienischen Horrormaestros Dario Argento als Weltpremiere samt großer Gala im Friedrichstadtpalast als Berlinale Special Gala angekündigt wurde.

Was nicht zwangsläufig an der cineastischen Qualität seines neuen Werks „Occhiali Nero“ liegt – der Titel verweist auf die abgedunkelte Brille der Hauptfigur, eine Prostituierte, die nach einem schweren Autounfall erblindet, und mit Hilfe ihres Blindenhundes nicht nur versucht zurechtzukommen, sondern auch zu überleben, denn ein Killer mit schwarzen Handschuhen und Drahtschlinge ist ihr auf den Fersen. Mit überschaubarem Budget und unter Coronabedingungen gedreht, wirkt „Occhiali Nero“ wie ein Best-Of von Argentos bekanntesten Sujets. Blindenhunde, irre Killer, furchtbare Autounfälle auf und in den dunklen Straßen Roms erklingen als fernes Echo aus Filmen wie „Rosso – Die Farbe des Todes“ oder „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“.

Der Film ist von Argentos Tochter Asia koproduziert, die zugleich auch eine der Hauptrollen übernimmt – wie sie es bereits bei früheren Filmen wie „Trauma“ oder „Stendhal Syndrom“ gehalten hat. Gemeinsam mit der Hauptdarstellerin Ilenia Pastorelli bildet sie ein starkes Frauenduo im Zentrum des Films. Was daran erinnert, dass Frauen bei Argento nicht nur Opfer, sondern ebenso zentrale Hauptfiguren der Filme sind und sich zuweilen als Täterinnen entpuppen können. Den treibenden elektronischen Soundtrack hat diesmal nicht Argentos langjähriger Komponist Claudia Simonetti von der italienischen Band Goblin übernommen, sondern der zeitgenössische französische Elektronik-Komponist Arnaud Rebotini.

Nicht aber „Occhiali Neri“ stand bei der Weltpremiere im Mittelpunkt, vielmehr nutzte der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian, die Gelegenheit, dem mittlerweile 81 Jahre alten Dario Argento einen großen und verdienten Gala-Auftritt zu verschaffen. So ehrt die Berlinale endlich einen der wichtigsten und einflussreichsten italienischen Regisseure, obwohl dessen Filme nie bei der Berlinale gelaufen sind. Eine verspätete, aber nichtsdestotrotz richtige Entscheidung.

(Dieser Text erschien zuerst als Radiobeitrag in der Sendung „Filmriss – Das Berlinale-Magazin“, einem gemeinsamen Projekt der norddeutschen Bürgersender Kiel FM, Lübeck FM, Westküste FM, Tide Hamburg, Radio Leinewelle und Oldenburg Eins.)