Interview mit Andrea Rau
In ihrer Heimatstadt Stuttgart begann Schauspielerin Andrea Rau zunächst als Tänzerin am Württembergischen Staatstheater. Danach arbeitete sie als Fotomodell und wurde so als Covergirl der Satirezeitschrift „Pardon“ Aushängeschild der aufkommenden 69er-Generation. Es folgte ein internationale Filmkarriere, deren Highlights das Internationale Filmfest Oldenburg in diesem Jahr eine kleine Werkschau widmete.
Interview mit Andrea Rau am 17. September 2022 im Radiostudio von Oldenburg Eins.
Zweifellos ihr berühmtester Film ist “Blut An Den Lippen“, ein eleganter Vampir-Horrorfilm aus dem Jahr 1971. Verlegt in ein menschenleeres, modernes Hotel in der belgischen Küstenstadt Ostende, verzichtete der belgische Regisseur Harry Kümel („Malpertuis“) bei der Inszenierung des blutigen Geschehens ganz und gar auf Schlösser, Kutschen oder Grafen. An der Seite von Andrea Rau spielte hier die französische Schauspielerin Delphine Seyrig, bekannt durch wegweisende Rollen im modernen französischen Kino wie Alan Resnais „Letztes Jahr in Marienbad“ und Francois Truffauts „Geraubte Küsse“.
Regisseur Harry Kümel war ebenfalls zu Gast in Oldenburg. Gemeinsam mit Andrea Rau zeigte er die frisch restaurierte Fassung von „Blut An Den Lippen“, die der amerikanische Produzent und Regisseur William Lustig („Maniac“) zum fünzigjährigen Jubiläum des Films erstellt hatte.
(Harry Kümel, Andrea Rau und Festivalleiter Torsten Neumann)
Entdeckt für den Film wurde Andrea Rau zunächst aber vom deutschen Regisseur Ulrich Schamoni („Chapeau Claque“). 1968 gab er ihr eine erste große Rolle in seinem Film „Quartett Im Bett“ mit Ingo Insterburg und Karl Dall. Nach einigen Aufritten als Vertragsschauspielerin der Constantin-Filmproduktion in wenig anspruchsvollen Klamotten wie „Das Stundenhotel von St. Pauli“ oder „Wenn die tollen Tanten kommen“, nahm Schamoni sie 1971 für ihre zweite Zusammenarbeit zu Dreharbeiten mit nach Frankreich.
Der Film „Eins“ aus dem Jahr 1971 ist ein größtenteils improvisiertes Roadmovie über einen Trip von Deutschland bis hin zur französischen Küste. Der heute nur selten gezeigte Film gewann den Deutschen Filmpreis für die beste Kameraarbeit seitens Igor Luthers, danach unter anderem auch als Kameramann für Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ tätig.
(Radiointerview bei Oldenburg Eins)
1974 folgte für Andrea Rau eine weitere internationale Ko-Produktion mit dem Thriller „It’s Nothing Momma, Just A Game“, auf deutsch „Spielball der Lust“ des spanischen Regisseurs José Maria Forqué. Zu sehen war Rau hier mit Stars wie dem Briten David Hemmings (“Blow Up“) und der Italienerin Alida Valli („Der Dritte Mann“). Nachfolgend spielte sie vor allem Theater und in Fernsehfilmen und -serien, bevor sie sich ganz von der Schauspielerei zurückzog. Von einer jüngeren Generation in den letzten Jahren wiederentdeckt, präsentierte die gebürtige Schwäbin 2010 zwei ihrer Filme in einer kleinen Retrospektive in Köln. In diesem Jahr gab es nun den etwas umfassenderen Tribut anlässlich ihres 75. Geburtstags mit vier Produktionen beim Filmfest Oldenburg.