Joan Baez – I Am A Noise – Berlinale Panorama

(Foto: © Albert Baez)

I Am A Noise” erzählt aus dem Leben der amerikanischen Folksängerin Joan Baez, Idol der Generation der 60er Jahre auf der Suche nach gesellschaftlichen Veränderungen. Dazu lieferte Baez den Soundtrack zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung: sie sang bei Martin Luther Kings „I Have A Dream“-Rede, war bei Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg dabei, und trat in Woodstock auf.

(Radiobeitrag für Filmriss – Das Berlinalemagazin)

Von all diesen historischen Momenten erzählt der Film der drei Regisseurinnen Karen O’Connor, Miri Navasky und Maeve O’Boyle allerdings erfreulich wenig. Gemeinsam mit der mittlerweile 82 Jahre alten Baez vermeiden sie das allseits Bekannte und erzählen in einem erstaunlich intimen und behutsamen Film vor allem von Kindheit und Jugend der Sängerin, sowie von wenig bekannten privaten Momenten.

Dabei schöpfen sie aus einem reichhaltigen Fundus an Super-8-Aufnahmen, Fotos, Audio-Kassetten und Zeichnungen, die zum Teil Jahrzehnte in einem Privatarchiv der Sängerin eingelagert waren. Ihre Kinderzeichnungen werden dabei in Animationen umgesetzt, und durch frühe Tonbandaufnahmen können die junge Joan Baez und ihre Familie als Erzählerinnen ihres eigenen Lebens auftreten.

Nicht immer aber war dieses so von Erfolg und Glück geprägt, wie es die erfolgreiche Karriere der Sängerin vermuten lassen würde.

Thematisiert werden rassistische Anfeindungen, denen die Familie auf Grund der mexikanischen Abstammung ihres Vaters ausgesetzt war. Zudem wird gezeigt, dass Baez‘ kometenhafter Aufstieg die künstlerischen Ambitionen ihre beiden ebenfalls sehr begabten Schwestern überschattete und sogar zunichte machte. Zudem wird aufgezeigt, wie nach langen Jahren mit Nervosität, Lampenfieber, Depressionen, Medikamentenabhängigkeit und gespaltener Persönlichkeit schließlich auch familiärer Missbrauch zur Sprache kommt, der zur Entfremdung zwischen Vater, Mutter und auch den drei Töchtern untereinander führt. Dabei spielen besonders die Themen Erinnerung und Verdrängung eine zentrale Rolle im Film.

(Joan Baez bei der Berlinale 2023 im Cubix9 am Alexanderplatz am 18.02.2023)

Daneben gibt es natürlich Musik, egal ob frühe Auftritte mit ihrer Entdeckung Bob Dylan oder Szenen von ihrer Abschiedstournee im Jahr 2018. Baez selbst hat nach der Vorführung in Berlin den Film als letzten Teil ihrer offiziellen Autobiografie bezeichnet. Und obwohl sie sich vom Musikgeschäft komplett zurückgezogen hat, ließ sie es sich nicht nehmen, anlässlich der öffentlichen Berlinale-Vorführung im Anschluss an den Film den ein oder anderen Song live und acapella im Kinosaal zu singen – zur großen Freude der zahlreich angereisten Fans.

(Dieser Beitrag erschien zuerst als Radiobeitrag in der Sendung „Filmriss – Das Berlinale-Magazin“, einem gemeinsamem Projekt der norddeutschen Bürgersender Kiel FM, Lübeck FM, Westküste FM, Tide Hamburg, Radio Leinewelle und Oldenburg Eins.)