10 Tipps fürs Reeperbahn Festival

Morgen startet in Hamburg das Reeperbahn Festival 2017. Bis Samstag gibt es dann in über 70 Hamburger Clubs und anderen Spielorten vor allem aktuellen Indiepop zwischen Rock, Folk, Noise, elektronischer Musik, Hip-Hop und moderner Klassik zu erleben. Im Mittelpunkt stehen dabei neue oder noch nicht etablierte Bands, aber es sind natürlich auch einige musikalische Schwergewichte im Programm zu finden. Außerdem ist die Reeperbahn dann auch wieder der alljährliche Branchentreffpunkt von Journalisten, Plattenfirmen, Tourneeveranstaltern und Musikpromotern aus dem Independentbereich. Viele der Künstlerinnen und Künstler des Festivals habe ich in den letzten Jahren bei soundundvison schon im Radio vorgestellt und freue mich schon darauf, sie bei meinem dritten Reeperbahn Festival endlich mal live sehen zu können.

1. Brutus

Im Februar ist mit „Burst“ das erste Album des belgischen Trios um Sängerin und Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts erschienen. Ein wilder Stilmix aus Hardcore, Black Metal, Math Rock und Postrock. Angefangen als Refused-Coverband  haben sie früher gerne auch mal „The Shape Of Punk To Come“ komplett nachgespielt. Die Refused-Reunion 2014 war dann auch die Geburtsstunde von Brutus. Sängerin Stefanie und Gitarrist Stijn hatten zuvor gemeinsam in einer Band gespielt (Starfucker) und dann schließlich mit Bassist Peter dieses neue Trio gegründet.

Samstag, 23.09. 22:40h Molotow

2. Egopusher

Das Geigen-Schlagzeug-Duo aus der Schweiz hat Anfang 2016 ein erstes, selbstbetiteltes Mini-Album veröffentlicht. Tobias Preisig (Violine, Bass Synth) und Alessandro Giannelli (Drums, FX) spielen Musik in den Grenzbereichen von Pop, Klassik und experimenteller Musik. Ihre aktuelle Musik hat sich noch mehr in Richtung Synthiepop mit Einflüssen von elektronischer Filmmusik und Synthwave entwickelt. Die neue Platte „Blood Red“ erscheint am 13. Oktober.

Freitag, 22.09. 19:15h Sommersalon

3. EMA

Die amerikanische Sängerin und Songschreiberin Erika Michelle Anderson aus South Dakota ist als EMA eine führenden Frauen der modernen elektronischen Musik. Ihr Sound pendelt irgendwo zwischen Drone-Folk, Noiserock und Elektronik. Nach dem Soundtrack zu „#horror“ (2015) ist sie ins freiwillige Exil nach Portland, Oregon gezogen, um dort ungestört an ihrem fünften und aktuellen Album „Exile In The Outer Ring“ arbeiten zu können. Darauf geht es um das Leben im Herzen Amerikas, um von Aussichtslosigkeit, Drogen und Langeweile geprägte Kids im trostlosen „Heartland“, in dem sie selbst aufgewachsen ist.

Mittwoch, 20.09. 23:00h Moondoo

4. Jane Weaver

Spacerock, Avantgarde Pop und Krautrock aus England. Jane Weaver aus Liverpool begann in den 90er Jahren als Teil der Indieband Kill Laura, die im Umfeld von New Order agierten und spielte später bei der Band Misty Dixon. Seit 2002 veröffentlicht sie Platten unter eigenem Namen. Ihr 2014 erschienenes Album „Silver Globe“ war in England ein Hit bei Fans und Kritikern, sogar Chris Martin von Coldplay hat telefonisch um Erlaubnis gebeten, ein Sample benutzen zu dürfen. Die neue Platte „Modern Kosmology“ ist die Fortsetzung ihres ganz eigenen Kosmos aus Psychedelia, Folk, Krautrock und elektronischer Musik. Gast auf dem Album ist unter anderem Malcolm Mooney von Can.

Samstag, 23.09. 0:00h Häkken

5. Kelly Lee Owens

Kelly Lee Owens aus London hat im März ihr erstes Album herausgebracht. Zuvor hatte sie schon Tracks mit dem Technoproduzenten Daniel Avery produziert („Drone Logic“) und einige EPs veröffentlicht. Gäste auf dem Debüt sind eben jener Avery und Jenny Hval aus Norwegen. Ihre Einflüsse sind unter anderem der amerikanischer Elektronikkomponist Arthur Russell und der deutsche Schriftsteller Goethe, dessen folgendes Zitat in den Linernotes steht: „Was immer du tun kannst, oder träumst es tun zu können, fang damit an! Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich.“ Elektronische Musik, Dreampop, Krautrock, Italodisco und experimentelle Musik.

Sonntag, 24.09. 0:25h Nochtspeicher

6. Let’s Eat Grandma

2016 erschien das erste Album dieser ungewöhnlichen Schülerinnenband der Sängerinnen Rosa Walton und Jenny Hollingworth, die zu diesem Zeitpunkt beide erst 17 Jahre alt waren. Sie machen schon seit dem Kindergarten gemeinsam Musik mit Keyboards, Piano und Saxofon. „I, Gemini“ wurde in Norwich im Osten Englands aufgenommen. Eine düstere, sehr britische Popwelt mit Märchenmotiven, psychedelischen Anleihen und Low-Fi-Dreampop-Elementen. Stellenweise klingen sie wie eine Teenagerversion von Karin Dreijer-Andressons Projekt Fever Ray.

Samstag, 23.09. 22:40h Prinzenbar

7. Mikko Joensuu

Mit „Amen 3“ ist im Juni der Abschluss der Trilogie „Amen 1 – 3“ des finnischen Musikers Mikko Joensuu erschienen. Begonnen hat er 2009 mit seiner ersten Band Joensuu 1685, die er mittlerweile längst aufgelöst hat. 2016 veröffentlichte er den ersten Teil des aktuellen Projekts zwischen Progressive Rock, Ambient, Indie, Postrock und Elektronik. Eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Themen wie Depressionen und Religion, beeinflusst von den oft theatralisch ausgerichteten Produktionen eines Scott Walker oder eines Lee Hazlewood und den Bilderwelten des russischen Filmemachers Andrei Tarkovski („Stalker“, „Solaris“). Teils akustisch, teils rockig, später psychedelisch, mittlerweile auch elektronisch bietet Joensuu hier bis zu zehnminütige Kompositionen irgendwo zwischen Space Rock, Hörspiel und Konzeptalbum.

Donnerstag, 21.09. 21:10h Prinzenbar

8. Omar Souleyman

Omar Souleyman ist der international erfolgreichste Musiker aus Syrien. Im nahen und mittleren Osten ist er schon seit Jahren ein Superstar. Mit seiner Band hat er vor allem auf vielen Hochzeiten, Taufen und Geschäftsparties gespielt und danach den Gastgebern die Musik des Abends als Kassette geschenkt. Diese Tapes wurden dann vervielfältigt und über Kioske und kleine Geschäfte vertrieben. So hat er im Lauf der Jahre über 500 verschiedene Produktionen veröffentlicht

Mittlerweile hat er in der ganzen Welt Konzerte gespielt, war bei der Verleihung des Friedensnobelpreises und auf amerikanischen Festivals zu Gast. Trotz des Kriegs in Syrien hat sich Souleyman immer wieder für Frieden und Nächstenliebe ausgesprochen, er spielt auf syrischen, kurdischen, irakischen Veranstaltungen, genau so wie vor christlichem und muslimischen Publikum. Seine aktuelle Platte „To Syria With Love“ ist im Sommer erschienen.

Samstag, 23.09. 0:40h Übel & Gefährlich

9. One Sentence. Supervisor

Die Schweizer Band One Sentence. Supervisor setzt sich auf ihrem neuen Album „Temporär Musik 1 -13“ mit den Fallstricken des digitalen Alltags auseinander. Auf der zweiten Platte der Band aus Baden geht es unter anderem um dabei künstliche Popularität, gekauften Klicks und virtuelles Ego. Das Quartett hat sich in den letzten Jahren weltweit mit Konzerten und Festivalauftritten einen Namen gemacht. Ihre Musik ist eine Mischung aus Krautpop, Postpunk und Shoegaze. Die Platte ist mittlerweile in der Schweiz und beim europaweiten Impala – Independent Music Companies Association-Award ausgezeichnet worden.

Freitag, 22.09. 17:00h Sommersalon

Samstag, 23.09. 23:15h Angie’s Nightclub

10. Songhoy Blues

„Résistance“ ist das zweite Album der Indierockband Songhoy Blues aus Mali. Ein Teil der Gruppe um Sänger Aliou Touré stammt aus dem Norden Malis und musste diesen 2012 nach der Machtübernahme durch radikale Islamisten verlassen. In Malis Hauptstadt Bamako im Süden des Landes trafen sich die vier Musiker dann und gründeten Songhoy Blues. Sie gehören zur Bevölkerungsgruppe der Songhoy, die hauptsächlich in Westafrika zu Hause sind. Die erste internationale Aufmerksamkeit bekamen sie 2013 durch die Zusammenarbeit mit Damon Albarn von Blur und Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs beim gemeinsamen Projekt „Africa Express“

In ihrer Musik mischen Songhoy Blues afrikanische Popmusik und Wüstenblues im Stil der Tuaregrocker wie Tinariwen und Imarhan mit Elementen aus Indierock, Blues, RnB, Hip-Hop und Soul. Einer der Gastsänger auf dem neuen Album ist Iggy Pop.

Samstag, 23.09. 15:00h Molotow Backyard

Samstag, 23.09. 20:30h MOJO Club

Bonustipp: Ankathie Koi

Wann immer ich mich in den letzten Monaten mit Musik aus Österreich befasst habe, bin ich auf die Sängerin Ankathie Koi gestoßen. Sie ist unter anderem Gastsängerin bei dem großartigen letzten Album des Black Palms Orchestras gewesen und hat danach auch für die österreichischen Synthwave-Spezis Powernerd ihre innere Valerie Dore gechannelt. Nach zwei Platten als Teil des Duos Fijuka ist jetzt mit „I Hate The Way You Chew“ ihre erste Soloplatte erschienen. Expressiver Indiepop zwischen New Wave, Yachtrock und Elektropop der allen gefallen dürfte, die auch etwas für La Roux oder Peaches übrig haben.

Mittwoch, 20.09. 22:20h Indra