Berlinale 2018 – Musikfilme im Panorama

MATANGI / MAYA / M.I.A. und Shut Up and Play the Piano

In der Reihe Panorama Dokumente der diesjährigen Berlinale sind gleich zwei Musikdokus zu sehen, die je eine Künstlerin und einen Künstler zeigen, die beide Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre mit Musik zwischen elektronischen Beats, Low-Fi-Sounds und Rap bekannt geworden sind. Die eine wurde danach zum internationale erfolgreichen Popstar mit Hang zur Kontroverse, der andere wechselte den musikalischen Stil und erfand eine Reihe von Doppelgängern, um bei Bedarf ganz aus dem Blick von Medien und Öffentlichkeit verschwinden zu können…

Missing in Action…

Die britische Musikerin Maya Arulpragasam kam Mitte der 70er Jahre mit ihrer Familie aus Sri Lanka nach London. Ihr Vater blieb in Sri Lanka und kämpfte später als Anführer der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung im bis 2009 andauernden Bürgerkrieg gegen die Regierung. Maya studierte Film und Kunst und lernte dabei auch schon den Regisseur des Films Steve Loveridge kenne, mit dem sie eine lange Freundschaft verbindet. Über Justine Frischmann von der Band Elastica und die kanadische Sängerin Peaches kommt sie an die Musik und veröffentlicht 2005 ihr erstes Album.

Der Film besteht zu einem großen Teil aus Archivaufnahmen und Videotagebüchern der Künstlerin. Sie zeigen sowohl ihre Entwicklung als Musikerin von den ersten Tanzaufnahmen im Jugendzimmer bis zu Auftritten auf riesigen Popfestivals, als auch ihre Reisen zu ihrer Familie in Sri Lanka, die sie auch immer wieder mit den blutigen Ereignissen des Bürgerkriegs konfrontiert.

(Berlinale-Pressekonferenz  mit Steve Loveridge und Maya Arulpragasam am 17.02.2018)

Ihr politisches Engagement wird oft kritisiert und ihre Gegner werfen ihr Unterstützung von Terrorismus vor, der Film zeigt diese Diskussionen genau so, wie ihren Kampf mit der Musikindustrie, die sie gern stromlinienförmiger und leichter verkäuflich hätte.

Regisseur Loveridge ist als langjähriger Freund von Maya Arulpragasam nah an seiner Hauptfigur dran und nutzt das reiche Archivmaterial, um die Entwicklung der Künstlerin M.I.A. über zwei Jahrzehnte hinweg nachvollziehbar und interessant darzustellen.

The French don’t have a word for entrepreneur

Der kanadische Pianist und Entertainer Chilly Gonzales ist als Jason Beck in Montreal aufgewachsen und begann dort in den 90er Jahren mit Künstlerinnen des dortigen Undergrounds wie Leslie Feist und der bei M.I.A. schon erwähnten Peaches Musik zu machen. Mit Peaches zog er dann auch nach Berlin und wurde mit seiner Pop-Rap-Electro-Performance ein Star der Stadt. Allerdings stellten seine oft skurrilen und lautstarken Auftritte die Musik meist in den Schatten.

Er ging nach Paris und nahem dort das Album „Solo Piano“ auf mit dem er den Übergang vom Underground-Pop zum anerkannten Klassik- und Jazzmusiker begann. Dennoch tritt er auch bei seinen Auftritten mit Streichquartett oder Orchester auch gern weiterhin in Bademantel und Hausschuhen auf. Regisseur Philipp Jedicke hat lange als Journalist und Fernsehmacher gearbeitet und Gonzales bei einem Interview kennengelernt. Auch er schöpft bei seinem ersten Kinofilm aus den Archiven von Gonzales und Peaches, hat dazu aber auch Szenen seines Lebens nachgestellt und ein langes Interview als Grundlage genommen, dass die Autorin Sybille Berg extra für den Film mit dem Musiker geführt hat.

Mit MATANGI / MAYA / M.I.A. von Steve Loveridge und Shut Up and Play The Piano von Philipp Jedicke zeigt die Reihe Panorama Dokumente auch in diesem Jahr wieder zwei sehenswerte Musikdokumentation, die beide Einblicke in die Entstehung und Entwicklung von zwei sehr unterschiedlichen und doch in ihren Kämpfen mit Medien, Musikindustrie und ihrem eigenen Bild in der Öffentlichkeit sehr ähnlichen Popstars ermöglichen.